Alle vier Evangelien des Neuen Testaments erzählen von Maria Magdalena. Zwei nichtbiblische Schriften stellen sie sogar auf eine Stufe mit den Aposteln und betonen. Maria Magdalena ist uns allen als historische und biblische Person bekannt. Allerdings ist ihre Darstellung in der Bibel gefärbt durch die damalige. Eines der zentralen Probleme aller Bibelfilme lautet schlicht: Länge und Breite. Ein antiker Schriftsteller konnte – so haben es Philologen einmal ausgerechnet – in einer Stunde etwa 75 Wörter schreiben. Er musste sich also kurzfassen und auf das Wesentliche konzentrieren. Mehr noch gilt dies für die biblischen Autoren. Was sie aufschrieben, war vorher lange als mündliche Überlieferung weitergegeben worden. ![]() Deshalb sind ihre Texte so knapp, verdichtet, fast gepresst – kleine, harte Samenkörner, keine weiten, weichen Erzählflüsse. Doch ein Spielfilm muss seine Geschichte in etwa zwei Stunden erzählen. So will es das Format. So fordert es die heutige Erzählökonomie. Deshalb verlängern Bibelfilme ihre Vorlagen, malen die oft nur skizzierten Protagonisten mit breitem Pinsel aus, fügen Figuren hinzu, erfinden zusätzliche Szenen, konstruieren neue Konflikte, die für mehr Dramatik sorgen, legen vor allem den Handelnden erheblich längere Dialoge in den Mund, die ihre Gefühle und Gedanken einem modernen Publikum verständlich machen sollen. © Universal Pictures An sich sind all diese Maßnahmen natürlich legitim. Zufälliger ArtikelDurch ein solches Nach-, Weiter- und Auserzählen kann die biblische Ausgangsgeschichte erklärt, gedeutet und neu angeeignet werden. Doch fast immer geht dabei die entscheidende literarische Qualität biblischer Texte verloren: ihre Prägnanz. Jesus sprach mit Vollmacht – Drehbuchautoren liefern Gerede. Nicht selten löst dies bei bewussten Zuschauern ein Gefühl des irgendwie Peinlichen aus. Die Bibel ist ja eine heilige Schrift. ![]() Zu ihr gehören wesenhaft der hohe Ton, das ewige Wort, die absolute Geste. Doch bringt sie all dies auf knappstem Raum, begrenzt und komprimiert. Sieht man jedoch heute Schauspielern dabei zu, wie sie zwei Stunden lang ausschließlich hehre Worte sprechen, einander tiefe Blicke zuwerfen, bedeutungsvoll die Hände ringen und die Arme ausbreiten, kippt es ins Schwerbemühte oder sogar Lächerliche. Die beste Möglichkeit, einem biblischen Stoff gerecht zu werden, wäre deshalb, einen Kurzfilm zu drehen. Das passt auch, weil dies die unkommerziellste aller Filmgattungen ist – weshalb diese Chance natürlich ungenutzt bleiben wird. BegriffsklärungDie zweite Möglichkeit besteht in der textgetreuen, aber visuell eigenständigen Wiedergabe eines Evangeliums. Das klassische Beispiel ist hier » Das 1. Evangelium – Matthäus« von Pier Paolo Pasolini ( Il Vangelo secondo Matteo, 1964). Vorbildlich sind dafür aber auch die Comicadaptionen des Markus- und des Matthäus-Evangeliums des großen graphic novelist Chester Brown ab 1987. © Universal Pictures Die dritte Möglichkeit wäre, die heilige Geschichte von damals aufzubrechen, ihren historischen Rahmen zu verlassen und sie mit einer profanen Erzählung von heute zu verbinden oder sie auf eine ganz andere Ebene zu überführen. Dann könnte man die heutigen Sehgewohnheiten und Erzählkonventionen in ein konstruktives Spannungsverhältnis zur archaischen Geschichtenwelt der Bibel setzen, die unterschiedlichen Längen und Tempi so miteinander konfrontieren, dass ein neuer Rhythmus entsteht. Vorgemacht hat dies Denys Arcand mit seinem » Jesus von Montreal« (1989).
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April 2019
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